Wenn meine Kinder mal was ganz, gaa-anz Dummes anstellen und
dann damit zu mir kommen, so bleibe ich in der Regel erstmal ruhig und wir
überlegen gemeinsam, wie wir das ganze Desaster wieder in Ordnung bringen
können. Ich halte mich dabei in der Regel an den Gedanken: Was würde man hier
von einem Erwachsenen erwarten? Schliesslich bereiten wir die Kinder ja auf das
Erwachsenenleben vor, also muss man Ihnen ja auch die „Erwachsenenregeln“
beibringen.
Wenn ich allerdings merke, dass die Kinder mich zu
beschummel versuchen, anlügen oder irgendwas Blödes, das sie angestellt haben
vor mir verheimlichen - na dann ist hier erstmal die HÖLLE los. Dann zetere ich
hier gefühlte drei Stunden lang herum – das wirkt bei meinen Kindern prima:
Lieber kommen sie mit dem Mist gleich zu mir, als sich das anzutun (ausser sie
sind sich zu 100% sicher, dass ich’s wirklich nicht rauskriege).
Ich HASSE es wenn man mich anlügt. Ich finde das echt so was
von SCHLIMM.
Und dann lese ich diese Woche gleich mehrfach in der
Zeitung/Zeitschriften, dass Erwachsene in der Regel durchschnittlich pro Tag
so-und-so-oft (anscheinend ist das unterschiedlich je nach Situation und um wen
es dabei geht, z. Bsp. ob Frau oder Mann) lügen.
„Obwohl Lügen in
unserer Gesellschaft verpönt ist, sagt jeder Mensch durchschnittlich 200 Mal am
Tag nicht die Wahrheit.“
WELT ONLINE
Täglich. TÄGLICH.
Und wenn ich mir das mal so recht überlege….dann tue ich das
ja eigentlich auch. So ein Mist.
Wieso aber lügen wir?
- Weil wir einer unangenehmen Situation aus dem Weg gehen wollen.
- Weil wir jemanden nicht verletzen wollen.
- Weil wir zu faul sind.
- Weil wir uns selbst schützen wollen.
- Weil wir andere schützen wollen.
- Weil wir uns nicht unbeliebt machen wollen.
Am verrücktesten an der ganzen Sache finde ich ja irgendwie,
dass wir zum Teil haargenau wissen, wenn uns jemand anflunkert – und trotzdem
sagen wir nix dazu, sind froh darüber oder machen sogar mit bei der Flunkerei.
Denn:
„Es ist durchaus nicht dasselbe, die Wahrheit über sich zu wissen,
oder sie von anderen hören zu müssen.“
Aldous Huxley
Trotzdem ist Lügen, Flunkern und Schummeln einfach Mist. Es
bringt viel Negatives mit sich:
- Man hat ein schlechtes Gewissen.
- Wenn man lügt, ist man gestresst. Sagt man einmal die Wahrheit, ist man zwar auch gestresst, aber man hat es dann „hinter sich“. Wer einmal lügt muss immer weiterlügen. Und es wird immer schwerer damit aufzuhören.
- Wenn wir schummeln und das okay finden, dann
gucken uns das andere ab und es
wirdbleibt eine Selbstverständlichkeit. - Wenn wir schummeln helfen wir dabei mit, eine oberflächliche und scheinbar „perfekte“ Illusion aufrechtzuerhalten. Und dass obwohl wir Oberflächlichkeit doch scheinbar soo-o schlimm finden. Wie sagte Goethe so schön? "Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll." Eine Lüge kommt selten bis gar nicht von Herzen.
- Vielleicht schützt man den, den man anlügt gar nicht, sondern schadet ihm mit der Lügerei sogar. Vielleicht könnte man durch die Wahrheit bei dem Menschen, den man beschummelt mehr bewegen? Schummeln wir immer weiter, bleibt alles beim Alten. Durch die Wahrheit helfen wir vielleicht manchmal sogar mehr.
- Wenn wir jemanden anlügen geben wir ihm damit zu verstehen, dass er uns die Wahrheit nicht wert ist. ICH FINDE DAS ABSOLUT SCHLIMM. Wenn mir jemand die Wahrheit sagt, auch wenn sie im ersten Moment ganz schön unangenehm ist, so wiegt für mich die Tatsache, dass ich es meinem Gegenüber wert bin, dass er versucht ehrlich zu mir zu sein, doch noch um so einiges mehr. Schliesslich ist es für sie/ihn auch nicht unbedingt der einfachere Weg, ehrlich zu sein statt zu lügen.
Vielmehr sollten wir uns in der Kunst üben, die Wahrheit so
zu sagen, ohne dabei zu verletzen. Anstatt unsere Täuschmanöver immer mehr zu
perfektionieren.
Tatsächlich bin ich, seit ich Minimalisten bin, viel
ehrlicher geworden – und habe mit Erstaunen festgestellt, dass wenn man das
selbst ist, die anderen dann auch ehrlicher zu Dir sind. Zugegeben. Es ist
nicht immer einfach die „Wahrheit“ gut rüberzubringen. Es kommt halt‘ immer
auch auf die Person an, die einem gerade gegenübersteht an. Und zugegeben: noch
viel, viel schwerer ist es, damit umzugehen, wenn einem die andren die Wahrheit
sagen statt zu schummeln. Statt ein geschummeltes „Och, ich kann heut‘ Abend
grad gar nicht, ich hab noch was anderes los!“ ein „ehrlich gesagt bist Du so
gar nicht auf meiner Wellenlänge, und ich würde lieber heut‘ Abend alleine
sein“ ist echt ätzend.
Aber zugegeben: Die Wahrheit zu sagen ist manchmal wirklich
ein schweres Unterfangen und nicht immer der einfachste Weg. Aber vielleicht
liegt es auch einfach daran, dass wir alle schon so richtig aus der Übung
gekommen sind, wenn es darum geht ehrlich zu sein und die ehrliche Meinung
anderer zu ertragen. Sicher ist es nicht einfach die richtigen Worte zu finden.
Aber einen Versuch ist’s allemal wert, finde ich. Wenigstens versuchen sollte
man es schon. Man muss ja nicht gerade mit schwerem Geschütz auffahren, sondern
kann es mal bei banalen Dingen probieren, ehrlicher zu sein – damit nicht gleich
der Haussegen schief steht. Also ganz sachte mit der Wahrheit – erstmal
vorsichtig üben.
„Ein Dutzend verlogener Komplimente ist leichter zu ertragen
als ein einzig aufrichtiger Tadel.“
Mark Twain
Also doch lieber schummeln? Nööö-ö. Ich will das Experiment
wagen und wieder einmal statt materiell zu entrümpeln mein Verhalten gegenüber
meinen Mitmenschen ausmisten. Ich will versuchen, ehrlicher zu sein und mir bei
den Situationen wo ich es nicht bin sorgfältig überlegen warum ich es nicht bin
und ob es sich nicht irgendwie vermeiden liesse, dieses Geflunkere.
Klar ist das Lügen in vielen Situationen einfach angenehmer
und das kleinere Übel – auf den ersten Blick – ich habe es aber tatsächlich
auch schon gemacht, dass ich jemandem ganz offen und ehrlich gesagt habe, dass
wir wohl nicht so ganz auf einer Wellenlänge sind – und wisst ihr was? Der
Gegenüber meinte ja ihm gehe es genauso! Ist in den ersten paar Sekunden zwar
echt unangenehm und man ist verletzt, aber im Nachhinein begegnen wir uns jetzt
beide ganz offen und ohne mühselige Ausreden, Schwindeleien und schlechtes
Gewissen als Beigeschmack. Das kann sehr befreiend sein. Echt jetzt.
(Funktioniert aber natürlich nicht bei jedermann.)
Also: Diese Woche will ich weniger Flunkern und Lügen. Es
geht mir vor allem darum mich selbst darauf zu sensibilisieren, wie oft ich das
wirklich tue – und in welchen Situationen ich das tue, obwohl es echt nicht
nötig wäre. Zwischendurch kann man ja auch einfach mal „die Klappe“ halten
statt zu flunkern, oder?
Ich selbst bin überzeugt davon, dass man so wenig wie
möglich Schummeln sollte. Denn wenn man erst damit anfängt – wo ziehen wir dann
die Grenze?
P.S.: Findet Ihr es nicht auch erstaunlich, wie viele verschieden Begriffe es fürs lügen gibt – als ob ein anderer Begriff dafür es zu etwas Besserem/weniger
Schlimmem machen würde – flunkern, schummeln, mogeln, lügen, täuschen,
schwindeln,….also haben wir anscheinend doch ein schlechtes Gewissen bei unseren
Mogeleien- wa‘?
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